Gesetze, die sich widersprechen? Gebäude-Energie-Gesetz unter der Lupe!

Dienstag, 24. Oktober 2023
Von: Ralf Gründling

Die Bekanntmachung* vs. GEG. Der vom Kunden bevorzugte, aber vom Experten als zu oberflächlich angesehene, verbrauchsbasierte Energieausweis für Nichtwohngebäude kann beim selben Gebäude verschiedene Ergebnisse haben. Der Unterschied steckt bekanntlich im Detail und für einen Verkäufer spielen die Ergebnisse eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Ein guter Energieausweis oder ein schlechter - was macht den Unterschied und was ist richtig?

 

 

Im Folgenden werden zwei Energieausweise für ein und dasselbe Gebäude mit unterschiedlicher Auslegung des Gesetzes in Bezug auf die energetische Bezugsfläche bei unbeheizten Lagern gegenübergestellt. Also zum Beispiel ein Büro mit Lager.

Ausweis 1 (links) bewertet das Gesamtgebäude inklusive der unbeheizten Flächen, in Variante 2 (rechts) wird hingegen nur der beheizte Anteil (Büro) als Bezugsfläche verwendet.

Variante 1

Variante 2

 

 

Beispiel 1: Energieausweis Nichtwohngebäude unterschiedliche Herangehensweisen - was ist sinnvoll, was ist korrekt?

 

Was passiert: Der Bekanntmachung* zu Folge reduziert sich die Fläche des Gebäudes in Variante 2 da im Lager nicht geheizt wird, was den Endenergieverbrauch Wärme Wert erhöht. Dies ist aber durch den Vergleichswert, der sich ebenfalls erhöht, relativ egal denn der Pfeil bleibt mehr oder weniger an der gleichen Stelle und im gleichen Farbbereich.
Anders sieht es aber beim Endenergieverbrauch Strom aus. Stromverbräuche, die hier anfallen (mindestens Beleuchtung), können in der Praxis nicht herausgerechnet werden und werden in Variante 1 einfach der Bürofläche zugeschrieben. Das heißt, der im Lager verbrauchte Strom, der in Variante 2 gar nicht Bestandteil des Energieausweises wäre, erhöht den Verbrauch dieses Bürogebäudes.

Die in Variante 2 angewandte Verfahrensweise liegt begründet in aus der Bekanntmachung* Abschnitt 4 Ermittlung der Energiebezugsfläche: Die Energiebezugsfläche ist die Summe aller beheizten und gekühlten Nettogrundflächen eines Nichtwohngebäudes nach DIN V 18599: 2018-09 (§ 82 Absatz 2 Satz 5 in Verbindung mit § 3 Nummer 22 GEG).
Dagegen resultiert Variante 1 aus dem GEG  § 79 Grundsätze des Energieausweises (2): Ein Energieausweis wird für ein Gebäude ausgestellt. Er ist für Teile von einem Gebäude auszustellen, wenn die Gebäudeteile nach § 106 getrennt zu behandeln sind. (Diese Unterscheidung zielt nur auf Wohn- und Nichtwohngebäude.)

In Variante 2 des Energieausweises taucht das Lager also nicht mehr auf, die Endwerte sind höher als bei anderen Büro-Gebäuden und die nun ganz andere Fläche sorgt bei einem potenziellen Käufer oder Mieter weiter für Verwirrung - schließlich erwartet er einen Energieausweis für ein Büro mit Lager, sieht aber nur einen Energieausweis für ein reines Bürogebäude.

 

 

Beispiel 2: Energieausweis Nichtwohngebäude - untergeordnete Flächenanteile

 

Die folgenden zwei Energieausweise zeigen wieder das gleiche Gebäude, diesmal ein 8-etagiges Bürogebäude mit Fitnescenter im 1.OG und Einzelhandel im Erdgeschoss. Variante 1 (links): Alle Flächen und Nutzungen werden berücksichtigt, Variante 2 (rechts): das Gebäude wird als reines Bürogebäude betrachtet.

 

Variante 1

Variante 2



Die in Variante 2 angewandte Verfahrensweise stammt wieder aus der Bekanntmachung* in Absatz 6.4 Nichtwohngebäude mit mehreren verschiedenen Nutzungen. Hier heißt es in Satz 3: Der jeweilige Flächenanteil aus Formel (13) muss dabei mindestens 20 % der Energiebezugsfläche des Gebäudes betragen. Da der Einzelhandel und Fitnessbereich jeweils weniger als 20% der Gesamtfläche ausmachen, werden diese Flächen ihrer Nutzung nach nicht berücksichtigt, deren Verbräuche fließen aber dennoch in die energetische Bewertung ein.
Die in Variante 1 angewandte Verfahrensweise berücksichtigt alle Flächen, damit auch die anteilig hohen Vergleichswerte für Fitness und Einzelhandel was zu einem besseren Energieausweis führt. Der Endenergieverbrauch bleibt gleich, aber die zum Vergleich herangezogene Kategorisierung relativiert die Verbräuche entsprechend der Nutzung und flächenmäßigen Gewichtung.

Überspitzt solle man sich ein Gebäude vorstellen, bei dem jeweils 19% der Fläche von Fitnessstudio, Hotel/Pension, Arztpraxis, Gaststätten und Kindergarten beansprucht wird (und die restlichen 5% Büro). Die 20% Regel der Bekanntmachung läuft hier ins Leere (und auch die Klassifizierung als Einkaufszentrum ist für das Nutzungsprofil ungeeignet).

Fazit: Hier stellt sich aus unserer Sicht die Frage ob der Grundsatz des Energieausweises noch gegeben ist. GEG § 79 Grundsätze des Energieausweises (1)Energieausweise dienen ausschließlich der Information über die energetischen Eigenschaften eines Gebäudes und sollen einen überschlägigen Vergleich von Gebäuden ermöglichen.

Allgemeine Formulierung im GEG, viel Interpretationsspielraum

Die zu betrachtende Fläche wird im GEG an drei Stellen beschrieben:

  1. Die Begriffsbestimmung im GEG § 3 Begriffsbestimmungen: 4. beheizter Raum: ein Raum, der nach seiner Zweckbestimmung direkt oder durch Raumverbund beheizt wird, also "Raumverbund"
  2. im Gegensatz dazu die aktuellen Bekanntmachung*: Abschnitt 4 Ermittlung der Energiebezugsfläche: Die Energiebezugsfläche ist die Summe aller beheizten und gekühlten Nettogrundflächen
  3. oder wiederum GEG § 79 Grundsätze des Energieausweises (2): Ein Energieausweis wird für ein Gebäude ausgestellt. Er ist für Teile von einem Gebäude auszustellen, wenn die Gebäudeteile nach § 106 getrennt zu behandeln sind. - Diese Unterscheidung zielt nur auf Wohn- und Nichtwohngebäude.

Als Beispiel, um die Diskrepanzen zu verdeutlichen kann ein Lebensmittelhandel betrachtet werden, der über folgende Flächen verfügt:800qm beheizte Verkaufsfläche, 200qm beheiztes Lager, 100qm Tiefkühlzellen (umgeben von beheizten Räumen) sowie ein angeschlossenes unbeheiztes Lager von 400qm.

Die Energiebezugsfläche beträgt dann

  • (1) 1.100qm (alle beheizten Flächen, inkl. Raumverbund)
  • (2) 1.000qm (alle beheizten Flächen)
  • (3) 1.500qm (alle beheizten wie unbeheizten Flächen)

    Energieausweis Nichtwohngebäude - Der Bedarfsausweis als Ausweg?

    Im Zwiegespräch mit Prüfstellen müssen wir wiederholt feststellen, dass der verbrauchsbasierte Energieausweis als "ohnehin ungenau" abgetan wird. "Sinnvoller wäre doch die Ausstellung eines bedarfsbasierten Energieausweises?" Es gibt aber zahlreiche Gründe für die Existenz eines verbrauchsbasierten Energieausweises und nur weil dieser mitunter im Einzelfall ungenau ist, sollte doch Vergleichbarkeit nicht durch Vereinfachung verloren gehen.

     

     

    Der verbrauchsbasierte Energieausweis für Nichtwohngebäude - Wie verfahren wir?

     


    Aus unserer Sicht bildet die Variante 1 die Realität besser ab und gibt im Ausweis mehr Auskunft über die unterschiedlichen Zonen und damit mehr Kontext und Nachvollziehbarkeit. Die Prüfstellen der Länder betrachten diese zwei Themen nicht konsequent. Wir handeln im Interesse der nachvollziehbaren, reellen Begebenheiten und können eins versichern: Der Energieausweis-Aussteller, also wir, haftet für die Auslegung der Gesetze.

     

     

    Relevante Gesetzes Abschnitte:

    GEG - Gebäude Energie Gesetzt

    GEG § 3 Begriffsbestimmungen 4. „beheizter Raum“ ein Raum, der nach seiner Zweckbestimmung direkt oder durch Raumverbund beheizt wird,

    GEG § 79 Grundsätze des Energieausweises
    (1)Energieausweise dienen ausschließlich der Information über die energetischen Eigenschaften eines Gebäudes und sollen einen überschlägigen Vergleich von Gebäuden ermöglichen.
    (2) Ein Energieausweis wird für ein Gebäude ausgestellt. Er ist für Teile von einem Gebäude auszustellen, wenn die Gebäudeteile nach § 106 getrennt zu behandeln sind.

    *) Bekanntmachung der Regeln für Energieverbrauchswerte und der Vergleichswerte im Nichtwohngebäudebestand, Vom 15. April 2021 (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat)

    Bekanntmachung Abschnitt 4 Ermittlung der Energiebezugsfläche:
    Die Energiebezugsfläche ist die Summe aller beheizten und gekühlten Nettogrundflächen eines Nichtwohngebäudes nach DIN V 18599: 2018-09 (§ 82 Absatz 2 Satz 5 in Verbindung mit § 3 Nummer 22 GEG).

    Bekanntmachung Abschnitt 6.4 Nichtwohngebäude mit mehreren verschiedenen Nutzungen:
    Satz 3: Der jeweilige Flächenanteil aus Formel (13) muss dabei mindestens 20 % der Energiebezugsfläche des Gebäudes betragen.

     

     

    P.S.: Ich bitte um Nachsicht, sollten wir wichtige Aspekte vergessen haben zu beleuchten oder noch keine Kenntnis über eine bereits bestehende Herangehensweise für diese Themen haben. Ich bin dankbar für jeden Hinweis und biete gegebenenfalls Unterstützung um Formulierungen in Gesetzen zu optimieren.

    Geschäftsführer Ralf Gründling